Darf ein Arbeitgeber eine Coronaimpfung verlangen?

Dürfen Arbeitgeber eine Coronaimpfung verlangen?

Besteht eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland?

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Simone Zervos zum Thema Impfpflicht

In Deutschland haben die Impfungen gegen das Corona-Virus Ende Dezember 2020 begonnen. Doch die lang ersehnte Impfstoffe der deutschen Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer sorgen nicht nur für Begeisterung. Viele Menschen stehen der Impfung kritisch gegenüber. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende arbeitsrechtlichen Fragen, die wir im nachfolgenden Beitrag beantworten werden.

Dürfen Arbeitgeber verlangen, dass sich alle Mitarbeiter impfen lassen?

Das Wichtigste zuerst: Eine gesetzliche Impfpflicht besteht in Deutschland nicht. Davon ausgenommen ist nur die seit dem 1. März 2020 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Masern-Impfung. Durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) wurde das Infektionsschutzgesetzgesetz (IFSG) in § 20 Abs. 8, 9 IFSG dahingehend angepasst, dass sowohl für den Zutritt zu gewissen Einrichtungen als auch für die Aufnahme einer Tätigkeit in einer solchen Einrichtung ein Impfnachweis erbracht werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 11. Mai 2020 die Verfassungsmäßigkeit von § 20 Abs. 8 und 9 IFSG im Eilverfahren bestätigt.

Nach jüngsten Aussagen von Gesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag plant die Bundesregierung aktuell keine gesetzliche Impflicht gegen das Corona-Virus.

Eine Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen dar und kann strafrechtlich nur dann gerechtfertigt werden, wenn der Betroffene einwilligt oder eine gesetzliche Impflicht besteht.

Die Impfung gegen das Corona-Virus ist daher freiwillig und kann von dem Arbeitgeber nicht verlangt werden. Da es in Deutschland keine gesetzliche Impfflicht gegen das Corona-Virus gibt ist eine Impflichtpflicht auf Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers nicht umsetzbar. Eine „Zwangsimpfung“ kommt daher nicht in Betracht.

Gibt es einen Impfzwang für Krankenschwestern und Pflegepersonal?

Auch für Krankenschwestern und Pflegepersonal besteht grundsätzlich keine Corona-Impfpflicht. Der Arbeitgeber kann hier allerdings die regelmäßige Testung seiner Mitarbeiter verlangen.

Im Einzelfall droht impfunwilligen Arbeitnehmern Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen allerdings eine personenbedingte ordentliche Kündigung: Wenn Patienten oder deren Angehörige den Einsatz von geimpften Personal verlangen oder der Einsatz nicht geimpfter Arbeitnehmer eine hohe Gesundheitsgefahr darstellt, wird ein Arbeitgeber ungeimpfte Arbeitnehmer womöglich nicht mehr beschäftigen können und wollen.

Ist eine Beschäftigung damit aufgrund Wegfalls der persönlichen Eignung nicht mehr möglich, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine personenbedingte Kündigung unter Wahrung der Kündigungsfrist in Betracht. Der Arbeitgeber muss zuvor aber prüfen, ob der Mitarbeiter nicht mit einer anderen Tätigkeit betraut werden kann, bei der das Bestehen eines Impfschutzes nicht zwingend ist. Erst wenn dem Mitarbeiter andere adäquate Tätigkeiten nicht übertragen werden können und es somit keine Einsatzmöglichkeiten mehr gibt für einen solchen Beschäftigten, ist eine personenbedingte Kündigung möglich.

Können Arbeitgeber einen Impfnachweis einfordern?

Arbeitgeber können von ihren Mitarbeitern keine Auskunft über das Vorliegen einer Impfung verlangen. Ob ein Arbeitnehmer sich impfen lässt, ist grundsätzlich reine Privatsache.

Etwas anders könnte jedoch für Beschäftigte gelten, die mit besonders gefährdeten Personen in Kontakt stehen wie z.B. Krankenhausmitarbeiter, Beschäftigte in Senioren-heimen und Pflegeeinrichtungen, sowie in Arztpraxen. Hygiene- und Schutzkonzepte der Betreiber könnten entsprechende Vorgaben vorsehen. In jedem Fall dürfte das Einfordern eines Impfnachweises mangels gesetzlicher Grundlage nur bei legitimem Interesse des Arbeitgebers in Frage kommen.

Kann der Arbeitgeber nicht geimpften Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb oder Gemeinschaftseinrichtung des Betriebs (z.B. der Kantine) verweigern?

Nein, das kann der Arbeitgeber nicht. Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) verbietet nicht nur die Benachteiligung von Beschäftigten, welche in zulässiger Weise ihre Rechte (z.B. Anspruch auf Schutzimpfung) ausüben, sondern auch den umgekehrten Fall der Benachteiligung von Beschäftigten, welche ihren Anspruch (auf Schutzimpfung) freiwillig nicht wahrnehmen wollen.

Da es keine Impfpflicht gibt, kann der Arbeitgeber keine Maßnahmen gegen diejenigen Mitarbeiter ergreifen, die nicht geimpft sind oder eine Impfung ablehnen. Der Arbeitgeber bleibt arbeitsvertraglich zur Beschäftigung der Arbeitnehmer  – mit oder ohne Impfung – verpflichtet.

Muss der Arbeitgeber nicht geimpften Mitarbeitern den Lohn zahlen?

Sollte der Arbeitgeber eine vertragsgemäße Beschäftigung von einer Impfung abhängig machen und nicht geimpften Mitarbeitern den Zutritt zum Betrieb oder einem Betriebsteil verweigern, gerät er unter Umständen in den so genannten Annahmeverzug. Bieten Beschäftigte ihre Arbeit ordnungsgemäß an, muss der Arbeitgeber die Vergütung dennoch zahlen.

Können Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit impfen lassen?

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Verlässt der Arbeitnehmer also den Arbeitsplatz, um sich impfen zu lassen, entfällt für diesen Zeitraum sein Vergütungsanspruch. Kann der Arbeitnehmer Impftermin selbst festlegen oder den Termin auf eine Zeit außerhalb der Arbeitszeit verschieben, muss der Impftermin grundsätzlich auch außerhalb der Arbeitszeit wahrgenommen werden.

Anders liegt der Fall, wenn der Arbeitnehmer von der zuständigen Behörde einen fest zugeteilten Impftermin erhält, der in der Arbeitszeit liegt und vom Arbeitnehmer nicht verschoben werden kann. Dann darf der Arbeitnehmer den Impftermin während der Arbeitszeit wahrnehmen und behält grundsätzlich seinen Anspruch auf Vergütung. Der Vergütungsanspruch entfällt jedoch, wenn § 616 BGB („vorübergehende Verhinderung“) im Arbeitsvertrag des Arbeitsnehmers oder einem Tarifvertrag abbedungen ist.  Zahlreiche Arbeitsverträge und Tarifverträge schließen diesen Anspruch aus. Es kommt daher stets darauf an, was in den für auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Vereinbarungen geregelt ist.

Wir empfehlen betroffenen Arbeitnehmern daher, den Impftermin vorab mit dem Arbeitgeber abzustimmen.

Gibt es eine Sonderregelung für Pflegepersonal/medizinisches Personal?

Bei Pflegepersonal bzw. Mitarbeitern im medizinischen Bereich sind Impfungen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Diese soll während der Arbeitszeit stattfinden, sodass der Vergütungsanspruch erhalten bleibt.

Darf eine Impfpflicht auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung eingeführt werden?

Die Corona-Impfung ist ebenso wie die Durchführung von Corona-Tests gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrvG mitbestimmungspflichtig.

Betriebsparteien haben bei ihren Regelungen die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu achten und zu schützen. Dies ergibt sich aus § 75 Abs. 2 BetrVG. Daraus folgt, dass eine zwingende Pflicht zur Impfung auch durch eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist. Allerdings können die Betriebsparteien regeln, dass Beschäftigte, welche freiwillig von ihrem Anspruch auf eine Schutzimpfung Gebrauch machen wollen, dafür bezahlt von der Arbeit freigestellt werden.

Sollten Sie weitere Fragen zu diesem oder anderen arbeitsrechtlichen Themen haben, können Sie sich gerne an uns wenden. Die Arbeitsrechtsexperten der Kanzlei Züll, Hermans und Schlüter helfen Ihnen gerne weiter.