Im
Regelfall können Darlehensverträge nur innerhalb von 14 Tagen nach
Vertragsschluss widerrufen werden. Über dieses Widerrufsrecht muss der
Verbraucher per Widerrufsbelehrung informiert werden. Fehlt diese Belehrung
aber oder ist sie fehlerhaft – etwa wegen missverständlicher Formulierung –
gelten abweichende Fristen.
Der
Europäische Gerichtshof hat am nun 26.03.2020 im Rahmen eines Urteils (Aktenzeichen
C-66/19) die sogenannten „Kaskadenverweise“ in der Widerrufsinformation von
Kreditverträgen für rechtwidrig erklärt.
Die
vom EuGH jetzt für unzureichend erklärte Formulierung findet sich ausnahmslos
in sämtlichen Verbraucherdarlehensverträgen, die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden.
Dem EuGH lag zwar lediglich ein Immobiliendarlehensvertrag zur Prüfung vor.
Jedoch findet sich der vom EuGH beanstandete Passus innerhalb der
Widerrufsinformation in nahezu allen allgemeinen Konsumentenkreditverträgen
bzw. Darlehen wieder. Von der EuGH-Entscheidung
sind daher voraussichtlich alle Immobilien-, Auto- und Verbraucherkredite
betroffen, die seit Juni 2010 abgeschlossen wurden.
Die
vom EuGH beanstandete Formulierung, die sich in vielen Verträgen findet,
lautet: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der
Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (…) erhalten hat.“
Der § 492 BGB wiederum verweist auf weitere Rechtsvorschriften.
Der
EuGH hat nunmehr den vom deutschen Gesetzgeber eingeführten „Kaskadenverweis“
als unzulässig beanstandet. Wegen des Kaskadenverweises könne ein Verbraucher
„weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen, noch
überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben
enthält“. Dies widerspreche der europäischen Richtlinie für
Verbraucherkreditverträge. Sie verlange, Verbraucher „in klarer und
prägnanter Form“ über die Vertragsmodalitäten zu informieren. Der Verbraucher müsse schnell erkennen können,
wann eine Frist beginne. Dies sei in den heute fast durchgängig benutzten
Formulierungen in Deutschland nicht der Fall.
Für
einen normalen Verbraucher ist damit nicht klar erkennbar, wann die 14-tägige
Widerrufsfrist begonnen hat. Folge des EuGH-Urteil ist folgende: Da die Widerrufsfrist in vielen
Verträgen nicht gesetzeskonform ist, hat sie noch nicht begonnen. Ein Widerruf
ist daher in einigen Fällen – auch noch Jahre nach Vertragsabschluss – möglich.
Besonders
bei Baufinanzierungen ist dies enorm lukrativ, da die Hypothekenzinsen stark gesunken
sind. Durch den Widerrufsjoker ließ sich beispielsweise aus einer
Baufinanzierung mit einem Zins von vier Prozent (das war der marktübliche Satz
in 2012) ein Darlehen mit einer Verzinsung von einem Prozent machen – lange vor
Ende der Zinsbindung und ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
Die
zweite Gruppe, für die das Urteil interessant ist, sind all jene, die nach Juni
2010 mit einem Kredit- oder Leasingvertrag ein Auto finanziert haben. Hier
führt der Widerruf der Finanzierung in den meisten Fällen dazu, dass das
Fahrzeug zurückgegeben werden kann. Der Kunde erhält dabei seine Anzahlung und
sämtliche Raten zurück. Das ist besonders für jene Diesel-Besitzer interessant,
die unter dem enormen Wertverfall ihrer Fahrzeuge leiden. Doch der Widerruf ist
unabhängig davon, welches Fahrzeug finanziert wurde.
Eine
vertiefte Prüfung des Widerrufs Ihres Darlehensvertrages ergibt in folgenden
Fällen Sinn:
- Sie haben Ihren
Darlehensvertrag zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 abgeschlossen.
- Ihr
Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsbelehrung mit der Formulierung, dass die
Widerrufsfrist „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der
Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach §492 Abs. 2 BGB erhalten hat“ zu
laufen beginnt.
- Sie wollen eine
zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden oder zurückverlangen.
- Sie
beabsichtigen, eine Umfinanzierung zu günstigeren Vertragsbedingungen.
Was
können betroffene Verbraucher jetzt tun? Im ersten Schritt sollten Sie anwaltlich
prüfen lassen, ob ihre Verträge tatsächlich vom EuGH-Urteil betroffen sind und
welche Möglichkeiten konkret bestehen. Sie erhalten dann von uns eine Einschätzung,
ob Ihr Vertrag dem Urteil des EuGH unterfällt und ob ein Widerruf möglich ist.
Kanzlei
Züll, Hermans und Schlüter
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Euskirchen
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