Die Ausbreitung des Corona-Virus
nimmt weiterhin zu und bereitet insbesondere gewerblichen Mietern zunehmend
Sorgen. Gewerbemieter beklagen schon jetzt signifikante Umsatzeinbußen, da alle
nicht systemrelevanten Einrichtungen derzeit von den Behörden durch betriebs-
bzw. branchenbezogene Allgemeinverfügungen und Verordnungen geschlossen werden.
Sowohl Vermieter als auch
Mieter fragen sich daher, welche Auswirkungen eine sich ausweitende
Corona-Krise auf ihre vertraglichen Pflichten unter bestehenden Mietverträgen
hat: Bleibt der Mieter zur Mietzahlung verpflichtet oder kann er die Miete
mindern? Kann eine Vertragsanpassung verlangt werden? Bestehen besondere
Pflichten infolge des Corona-Virus?
In diesem Beitrag sollen die
mietrechtlichen Möglichkeiten in der Corona-Krise erläutert werden. Wir
erklären Ihnen, ob eine Mietminderung, Vertragsanpassung oder sogar eine
außerordentliche Kündigung von Mietverträgen in Betracht kommt.
Allgemeiner
Grundsatz: „Verträge sind einzuhalten“
Auch in der aktuellen Krisenzeiten
gilt der allgemeine Grundsatz „pacta sunt servanda” (=Verträge sind einzuhalten).
Die Mietparteien sind daher ungeachtet der Corona-Pandemie weiterhin zur
Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten verpflichtet. Der Vermieter ist also
weiterhin zur Gebrauchsüberlassung an der Mietsache und der Mieter gemäß § 535
BGB zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet. Denn an sich ist die
Nutzung der Mietsache trotz behördlicher Schließung weiterhin möglich.
Adressaten der öffentlich-rechtlichen sind zudem die Mieter als Betreiber und
nicht die Eigentümer.
Österreich:
§§ 1104, 1105 AGBGB
Im Internet wird derzeit
häufig auf die in Österreich geltenden §§ 1104, 1105 AGBGB verwiesen. Dort ist
geregelt, dass die Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses entfällt, wenn
das Mietobjekt wegen außerordentlicher Zufälle (z.B. Pandemie) nicht benutzt
bzw. gebraucht werden kann. Die §§ 1104, 1105 AGBGB gelten in Deutschland
nicht, da es sich hierbei um ein österreichisches Gesetz handelt.
Gibt
es in Deutschland eine den §§ 1104, 1105 AGBGB vergleichbare Regelung?
Nein, die Pflichten aus dem
Mietvertrag bestehen trotz der Corona-Krise auch im Falle einer behördlichen
Schließung weiterhin fort.
Kann
die Miete gemindert werden?
Voraussetzung einer
Mietminderung ist gemäß § 536 BGB, dass die Mietsache mangelhaft ist.
Behördliche Verbote, Ausgangssperren etc. führen jedoch nicht dazu, dass ein
Mangel an der Mietsache selbst besteht. Zwar wird der Gebrauch der Mietsache
beeinträchtigt, dies liegt jedoch nicht im Verantwortungsbereich des
Vermieters. Das Verwendungs-/Betriebsrisiko ist nach der Rechtsprechung von den
Mietern zu tragen. Eine öffentlich-rechtliche Beschränkung des Betriebs stellt
daher keinen Mietmangel dar. Das gilt nach Auffassung der Gerichte auch dann,
wenn durch eine betriebsbezogene Beschränkung der Betrieb des Mieters
vorübergehend unmöglich wird.
Regelung
im Mietvertrag zur Nutzung prüfen
Viele gewerbliche Mietverträge
enthaltendetaillierte Regelungen zu
dem beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck. Der Mietzweck verpflichtet
einerseits den Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus
zu nutzen. Andererseits verpflichtet er aber auch den Vermieter, dem Mieter ein
Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.
Kann der Mietzweck (z.B. die
Nutzung als Einzelhandelsgeschäft) infolge einer behördlichen Anordnung nicht
mehr erreicht werden, könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der
vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Zweck zu sehen
sein. Dies hätte zur Folge, dass der
Mieter von der Gegenleistung (Zahlung der Miete) befreit wäre. Und zwar für den
gesamten Zeitraum der der Unmöglichkeit.
Die Vermieterseite könnte nun
argumentieren, dass die Vermietung als Einzelhandelsgeschäft grundsätzlich
weiterhin möglich wäre, jedoch begrenzt auf die systemrelevanten Branchen.
Sieht der Mietvertrag in einem solchen Fall einen konkreten Mietzweck (z.B.
Vermietung als Restaurant) vor, kann das Argument des Vermieters widerlegt
werden. Denn dann ist von Vermieterseite die Gebrauchsüberlassung zu diesem
konkreten Mietzweck geschuldet.
Störung
der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB
Insgesamt erscheint es nicht
sachgerecht, die Betriebsschließung allein der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen,
da die Mietsache auch durch andere Mieter nicht mehr als Ladengeschäft genutzt
werden kann. Aus diesem Grund könnte man mit einer Störung der
Geschäftsgrundlage infolge der Corona-Krise argumentieren.
Gemäß § 313 BGB kann eine
Vertragspartei verlangen, den Vertrag anzupassen, wenn ein Festhalten daran
unzumutbar ist, weil sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden
sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien- wenn
sie die Veränderung vorhergesehen hätten- den Vertrag nicht oder mit anderem
Inhalt geschlossen hätten.
Eine Vertragsanpassung ist
grundsätzlich nur möglich, wenn das störende Ereignis nicht in die Risikosphäre
einer Partei fällt. Hierzu gibt es derzeit noch keine aussagekräftige
Rechtsprechung. Dies dürfte sich in einigen Monaten ändern.
Bereits in der Vergangenheit
hat die Rechtsprechung in nicht vorhersehbaren Kriegszeiten, kriegsähnlichen
Zuständen oder Embargos eine nicht vorhersehbare Störung der Geschäftsgrundlage
im Sinne von § 313 BGB angenommen.
Die aktuelle Corona-Situation
war ebenfalls in dieser Form nicht vorhersehbar und kann daher meines Erachtens
nicht der Risikosphäre einer Mietvertragspartei zugeordnet werden.
Welche
Rechtsfolgen ergeben aus der Störung der Geschäftsgrundlage?
Die Rechtsfolgen der Störung
der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) reichen von der Vertragsanpassung (z.B.
einer Reduzierung der Miete) bis zu einer Aufhebung des Mietvertrages.
Da die Rechtslage derzeit
nicht eindeutig geklärt ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob
aufgrund des Corona-Virus eine Vertragsanpassung, Mietminderung oder Kündigung
des Mietvertrages möglich ist. Eine derartige Lage hat es bislang in der
Geschichte Deutschlands nicht gegeben.
Daher sollten sich die
Vertragsparteien zusammensetzen und für den individuellen Fall eine Lösung z.B.
in Form von einvernehmlichen Mietreduzierungen oder Stundungsvereinbarungen
finden.
Wir stehen Ihnen bei allen
Fragen rund um das Mietrecht mit unserer Expertise gerne zur Verfügung!
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Autor: Frau Rechtsanwältin Simone Zervos