Übersicht zur aktuellen Rechtsprechung im Arbeitsrecht

1. LAG Düsseldorf 24.06.2020 – Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen:

Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen nach der Entscheidung des LAG Düsseldorf 24.06.2020 – 4 Sa 571/19 – auch dann tarif- oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen, wenn die zugrundeliegenden Urlaubsansprüche – etwa aufgrund unzureichender Aufklärung durch den Arbeitgeber – urlaubsrechtlich nicht verfallen konnten.

2. BAG 27.05.2020

Der Arbeitgeber hat nach einer Entscheidung des BAG vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 – gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge.

3. BEM-Verfahren, LAG Nürnberg 18.02.2020 – 7 Sa 124/19 –

Bestreitet der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess, dass ein BEM-Verfahren ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt wurde, muss der Arbeitgeber diese entsprechend darlegen. Nach einer Entscheidung des LAG Nürnbergs wird der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß zum BEM-Verfahren eingeladen, wenn im Einladungsschreiben mitgeteilt wird, dass sich der Arbeitnehmer vor dem BEM-Termin beim Werksarzt einzufinden hat zur Erstellung eines positiven Leistungsprofils, ohne Aufklärung darüber, dass der Arbeitnehmer auch auf den Besuch beim Werksarzt verzichten kann.

4. Arbeitszeugnis, Entscheidung des LAG Köln 27.03.2020

Das Zeugnisdatum, mit dem ein qualifiziertes Arbeitsendzeugnis versehen wird, muss regelmäßig den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezeichnen, nicht dagegen den Tag, an dem das Zeugnis tatsächlich physisch ausgestellt worden ist. So eine Entscheidung des LAG Köln 27.03.2020 – 7 Ta 200/19 -.

5. Verfall von Urlaubansprüchen

Sowohl nach einer Entscheidung des LAG Hamm 24.07.2019 – 5 Sa 676/19 – als auch nach der Entscheidung des LAG Rheinland Pfalz 15.01.2020 – 7 Sa 284/19 – verfallen Urlaubsansprüche lang andauernder erkrankter Arbeitnehmer auch dann mit dem 31. März des zweiten Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat.

6. Abmahnungen LAG Mecklenburg-Vorpommern 11.02.2020

Nach einer Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 11.02.2020 – 2 Sa 133/19 – können Arbeitnehmer verlangen, dass eine zu Unrecht erteilte Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt wird. Der Anspruch besteht u.a., wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist oder sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält.

Rechtsprechungsübersicht von

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Mario Züll

(OLG Köln, Beschluss v. 16.4.2020, 3 U 225/19)

Die Deutsche Post muss für die verspätete Zustellung eines fristgebundenen Schreibens knapp 18.000,00 Euro Schadensersatz zahlen. Damit ist ein Urteil des Bonner Landgerichts nun bestätigt, das einer Postkundin Schadensersatz zugesprochen hatte.

Die Klägerin hatte am Freitag, den 29. September 2017 einen Brief an ihren ehemaligen Arbeitgeber, eine Klinik, zur Post gebracht. In dem machte sie Abgeltungsansprüche in Höhe von etlichen tausend Euro geltend. Grund war ein Urlaub, den sie wegen einer Schwangerschaft und Elternzeit nicht hatte nehmen können.

Die Ansprüche hatten wegen einer Klausel im Arbeitsvertrag bis spätestens Samstag, den 30. September 2017 erhoben werden müssen. Die Frau brachte den Brief daher noch am Freitag zur Post. Dort wählte sie als Zustellung die Versandmethode „Expresszustellung“ mit dem Zusatzservice „Samstagszustellung“ aus. Für diesen besonderen Service zahlte sie am Postschalter ein erhöhtes Porto von knapp 24,00 Euro.

Doch anders als vereinbart, wurde der Brief nicht am Samstag, sondern erst am darauffolgenden Mittwoch zugestellt. Das begründete der Zusteller damit, dass er sich wegen des fehlenden Adresszusatzes „GmbH“ am Samstag nicht sicher gewesen sei, ob er die Sendung so zustellen durfte. Denn die Briefkästen der Empfängerin seien nicht beschriftet gewesen. Bis zu einer Klärung habe er daher auf eine Zustellung verzichtet.

Das kam dem ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin offenkundig sehr gelegen. Denn wegen der verspäteten Zustellung des Briefs berief er sich auf Fristversäumnis. Er weigerte sich daher, den Forderungen seiner Ex-Beschäftigten nachzukommen.

Die zog daraufhin gegen die Post vor Gericht. Denn das Unternehmen wollte ihr lediglich die Portokosten erstatten. Für den Ersatz des Schadens in Höhe von 18.000,00 Euro, der durch das Fristversäumnis entstanden war, hielt es sich hingegen nicht zuständig.

Dem wollten sich jedoch das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Bonn sowie das von der Post in Berufung angerufene Kölner Oberlandesgericht nicht anschließen. Beide Gerichte hielten die Forderung für berechtigt.

Nach Ansicht der Richter steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz zu. Denn gemäß § 425 HGB hafte ein Frachtführer für Schäden, die einem Absender durch das Überschreiten der Lieferfrist entstehen.

In dem entschiedenen Fall sei es offensichtlich gewesen, dass es sich um einen besonders wichtigen Brief handelte, der wie vereinbart am nächsten Tag zugestellt werden musste. Das ergebe sich aus der vereinbarten Zusatzleistung „Samstagszustellung“ sowie dem von der Klägerin hohen gezahlten Porto.

Die Beklagte beziehungsweise der für sie tätige Zusteller habe sich auch nicht darauf berufen können, dass in der Briefanschrift der Zusatz „GmbH“ gefehlt habe. Denn der sei auch auf dem Klingelschild des Empfängers nicht vorhanden gewesen.

In dem Gebäude hätten sich auch keine anderen Firmen befunden. An seiner Außenseite sei außerdem nur ein Schriftzug mit dem Namen der Klinik, und zwar ohne den Zusatz „GmbH“, angebracht gewesen.

Dem Zusteller hätte sich daher erschließen müssen, dass die beiden unbeschrifteten Briefkästen zu dem Krankenhaus gehören. Bei Zweifeln wäre er im Übrigen dazu verpflichtet gewesen, an der rund um die Uhr besetzen Pforte nachzufragen.

Autor: Frau Rechtsanwältin Simone Zervos